Dezember 2021

Lernen durch Engagement in Bayern !

Sondernewsletter

LdE-Preis "Eine Klasse für sich und andere" 2021

Vorbilder - nicht nur in Zeiten von Corona

In einer Zeit, in der viele Schulen und Lehrkräfte hauptsächlich mit sich, Hygieneauflagen oder nachzuholendem Lernstoff beschäftigt sind, zeigten Klassen unterschiedlicher Schularten aus Bamberg, Burglengenfeld, Oberstdorf und München, dass es auch anders geht. Sie alle hatten ihren Unterricht mit einem gesellschaftlichen Engagement verbunden und wurden dafür am 25. November 2021 im Beisein von Anna Stolz, Staatssekretärin im Bayerischen Ministerium für Unterricht und Kultus, mit dem Preis „Eine Klasse für sich und andere“ ausgezeichnet.

Der Preis, der in den vergangenen Jahren von der Castringius Stiftung in Kooperation mit der Stiftung Gute Tat und dem bayerischen Kultusministerium ausschließlich an Münchner Schulen vergeben wurde, war auf Anregung von Regine Leonhardt von der Stiftung Gute Tat 2021 erstmals bayernweit ausgeschrieben worden. Dr. Arvid Castringius hatte dafür das Preisgeld noch einmal aufgestockt: „Besonders beeindruckt bin ich davon, dass ihr etwas geschaffen habt, was wir immer und auch besonders in der vierten Welle brauchen werden.“

Die Veranstaltung zur Würdigung der Preisträger, ursprünglich im feierlichen Rahmen in München geplant, musste kurzfristig in den virtuellen Raum verlegt werden. Der guten Laune tat das keinen Abbruch: Regine Leonhardt begeisterte alle an den Bildschirmen mit ihren Laudationes, die deutlich machten, wie gewinnbringend und zukunftsweisend „Lernen durch Engagement“ sein kann.  Auch Staatssekretärin Anna Stolz würdigte den Einsatz der Preisträger*innen unter den schwierigen Rahmenbedingungen: „Ihr seid echte Vorbilder!“



Unser Sondernewsletter ist all denjenigen gewidmet, die auch in schwierigen Zeiten nicht die Flinte ins Korn werfen, sondern sich mit Fachwissen, Kreativität und großem gesellschaftlichen Engagement den aktuellen Herausforderungen stellen und mit ihren Aktivitäten Leben und Lernen bereichern.


1. Preis: MINTerpol – naturwissenschaftlichen Geheimnissen auf der Spur…

Geht nicht gibt’s nicht!

Eigentlich wollten die 15 Schüler*innen der Q11 des Johann-Michael-Fischer-Gymnasiums in Burglengenfeld in ihrem P-Seminar Chemie Experimente entwickeln und diese dann in einer Chemieshow vor Grundschüler*innen durchführen. Dann kam Corona und damit der Distanzunterricht und Homeschooling. Was tun? Wissenschaftliche Experimente entwickeln ist das eine. Aber wie an Grundschüler*innen herantragen, wenn diese genauso zuhause bleiben müssen wie man selbst? 

Weil die schulischen Laborplätze aufgrund der Pandemie nicht zugänglich waren, experimentierten die Seminarteilnehmer*innen im heimischen Küchenlabor. Das Ergebnis: Eine Zusammenstellung von Experimenten zu den Themen Wasser, Elektrizität und Verbrennung, die mit einfachen Haushaltsmitteln zuhause nachvollzogen werden können, ausführlich und verständlich beschrieben in der Versuchsbroschüre „MINTerpol“, die hochwertig gedruckt wurde. Dazu die Entwicklung eines naturwissenschaftlichen Experimentierkoffers, mit dessen Hilfe die spannenden Versuche durchgeführt werden können. Dankbare Abnehmer waren die 37 Grundschulen des gesamten Landkreises. Das Landratsamt Schwandorf verschickte die fertigen Versuchsbroschüren kostenlos an alle Grundschulen im Landkreis, wodurch das Projekt mehrere hundert Schüler*innen erreichte. Da die Schüler*innen des Projektseminars sämtliche zukünftigen pandemiebedingten Unterrichtsszenarien und Hygienemaßnahmen berücksichtigen, lassen sich alle Experimente sowohl in der Schule im Präsenzunterricht, bei gebotenem Mindestabstand in Einzelarbeit und sogar bei erneutem Schul-Lockdown mit Haushaltschemikalien und – bei Bedarf virtuell oder mit Erklärvideos – daheim durchführen. 

Maria Dirnberger, LdE-Begleiterin des Projekts und an der Freiwilligenagentur Schwandorf tätig, hat uns verraten, dass es die Versuchsbroschüre „MINTerpol“ über persönliche Kontakte schon bis in die USA geschafft hat. Vielleicht kommt ja auf die nächste Generation die Aufgabe einer ins Englische übersetzten Version zu?


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2. Preis: Werbung für ehrenamtliches Engagement in Burglengenfeld

„Auf der Suche nach einem tollen Hobby? Bock auf andere Menschen? Du willst mehr über BUL erfahren? Dann zock‘ dieses Spiel!“

Mit Humor und Kreativität haben sich die Schüler*innen der Klassen 6a und 7M der Sophie-Scholl-Mittelschule dem Thema Ehrenamt in ihrer Heimatstadt gewidmet. Was das überhaupt ist und wo man eine passende Möglichkeit finden kann, sich in die Gesellschaft einzubringen und dabei nicht nur zu helfen, sondern auch noch Spaß zu haben, recherchierten die Jugendlichen ausführlich. Dabei tauchten sie über den Zeitraum von eineinhalb Jahren weit in die Ehrenamtsszene ihrer Stadt ein und machten so viele eindrückliche Erfahrungen, dass sie beschlossen, ihre Ergebnisse auch Anderen zugänglich zu machen. Um ein attraktives digitales Format zu finden, das Lust auf soziales Engagement machen kann, entschied sich die Gruppe, ein interaktives „Scratch“-Spiel zu programmieren und damit die Vielfalt des Angebots spielerisch zu zeigen. Lehrer Christian Birk hat hier nicht nur die fächerübergreifenden Bildungsziele in den Blick genommen, sondern auch Deutsch, Informatik und GPG einbezogen und damit bewiesen, wie LdE komplexe Lernerfahrungen zu einem nachhaltigen „Deeper Learning“ werden lässt. Die Schüler*innen haben sich intensiv mit gemeinwohlorientiertem Einsatz für die Gesellschaft befasst und dabei festgestellt, dass sich auch eigene Hobbies wie Musik und Sport damit verbinden lassen. Ihre tiefen Einblicke in verschiedene Lebenswelten und Berufsfelder zeigen das berufsorientierende Potenzial von LdE auf: mit ihrem Spiel bieten die Jugendlichen auch Impulse für die Wahl einer zukünftigen Ausbildung. Ob Umwelt oder Tierschutz oder Feuerwehr, diese Klassen haben großartige Werbung für das Ehrenamt gemacht!


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2. Preis: Unterstützung des „EinDollarBrille“ e.V.

Seit dem Schuljahr 2017/2018 gibt es Lernen durch Engagement (LdE) in der dualen Ausbildung an der Berufsschule Bamberg. Die Idee wurde zusammen mit der Professur für Wirtschaftspädagogik initiiert und von dieser auch wissenschaftlich begleitet.
Einer der zivilgesellschaftlichen Partner ist der eingetragene Verein EinDollarBrille. Er ermöglicht es Menschen in ärmeren Ländern, sich eine Brille für nur einen Dollar zu kaufen. Die Herstellung der Brillen erfolgt vor Ort. Dies ermöglicht einerseits dem „Brillenhersteller“, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und andererseits vielen Menschen ein besseres Sehen. 

Für das Schuljahr 2020/21 war das Ziel, den Verein EinDollarBrille in seiner Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen. Die Schüler*innen machten sich Gedanken, wie die Spendenbereitschaft erhöht werden kann, und entwickelten dafür unterschiedliche Ideen wie z.B. einen Spendenlauf oder die Aufstellung von Spendenboxen. Die Fertigung dieser Boxen wurde von Schüler*innen im Rahmen ihrer Ausbildung zum Schreiner/zur Schreinerin übernommen. Außerdem planten die Schüler*innen Informationsveranstaltungen bei Augenärzt*innen, Augenlaserunternehmen und Optiker*innen, um den Bekanntheitsgrad der EinDollarBrille selbst und die dahinterstehende Idee „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu erhöhen. 

Lernen durch Engagement ist damit zu einem festen Bestandteil der Schulkultur geworden. Auszubildende beschäftigen sich mit gesellschaftlichen Fragen und erfahren, dass ihr Tun eine konkrete Auswirkung hat und sie wirklich etwas bewegen können. Und auch im Kollegium hat über die Mitwirkung in dem Projekt eine Sensibilisierung gegenüber Wertebildung und Demokratieerziehung stattgefunden. 


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3. Preis: Carmen 2.0 – ein Musik-, Literatur- und Theaterprojekt

Was passiert, wenn man sich in Coronazeiten eine 175 Jahre alte Oper vornimmt, sie kräftig gegen den Strich bürstet und auf den Kopf stellt? Dann kommt beim Gertrud-von-le-Fort-Gymnasium Oberstdorf ein fulminantes Projekt heraus, das die Jury beeindruckt hat.

Die Schüler*innen um Musiklehrer Thomas Müller zeigten fächer- und jahrgangsübergreifend, wie facettenreich LdE sein kann: mit einem P-Seminar Musik verbanden sich Sportkurse der Q11, Chöre, Schulorchester und zwei 5. Klassen. Dabei wurden neben Deutsch auch Kunst, Geschichte und AGs eingebettet. Als „Schule ohne Rassismus Projekt“ gestartet, entdeckten die Schüler*innen in der Carmenstory große, aktuelle Themen wie Menschenrechte, Arbeitsrechte und Inklusion und gaben dem Stoff in Musikbeiträgen, Videos und Statements ganz eigene, innovative Formen der Bearbeitung. 

Besonders würdigte die Jury, dass die Jugendlichen die Oper als Ausgangspunkt für eine kritische Auseinandersetzung mit Rollen- und Geschlechterstereotypen, toxischer Maskulinität und Gewalt gegen Frauen nahmen. Sie ließen sich durch die Pandemiebedingungen nicht entmutigen und schufen nicht nur ein digitales Kunstwerk, sondern ermöglichten eine große Benefizgala, um Spenden für das Frauenhaus Kempten zu sammeln. Sie stellten Gästen und Politiker*innen kritische Fragen und gaben sich eine „Selbstverpflichtung für Gegenwart und Zukunft“, sozialen Spaltungsprozessen entgegenzuwirken und dies auch konkret von der Politik zu fordern: “Gemeinsam an einer Erzählung mit Substanz zu arbeiten, ist eine der wichtigsten Aufgaben unserer Gesellschaft überhaupt“.

Wir freuen uns sehr, dieses Beispiel eines LdE-Projekts auf der Basis kultureller Bildung präsentieren zu können und sind sicher, dass von dieser Schule noch zu hören sein wird!


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Sonderpreis "Pioniere für Lernen durch Engagement"

In diesem Jahr durften wir dank der Otto-Eckart-Stiftung einen Sonderpreis für Schulentwicklung mit LdE verleihen. Wir ehren damit zwei „Pioniere“, die sich in München seit Jahren um LdE verdient gemacht haben. 

Patrick Oberdörfer von der Adolf-Kolping-Berufsschule erhielt 2017 den Deutschen Lehrerpreis und war dort mit seinem LdE- Projekt „Ein Zaun für die Jugendfarm Neuaubing“ 2019 wieder unter den ersten 15 nominiert. Wir haben ihn im selben Jahr mit der Berufsvorbereitungsklasse Bau mit dem ersten Platz von „Eine Klasse für sich und andere“ prämiert und schätzen ihn seither als unermüdlich energetischen Streiter für innovativen Unterricht mit LdE. Mit seinem Projekt „Neue Bienen für neue Bürger“ beweist er einmal mehr, wie wertvoll das Engagement von Schüler*innen zur Stadtteilgestaltung sein kann.

Verena Böhl vom SFZ München Mitte II hat in Haidhausen bereits „Geschichte geschrieben“: sie hat gezeigt, dass bereits Erstklässler*innen mit ihren Anliegen großen Einfluss auf die Öffentlichkeit nehmen und Mitbürger*innen für wichtige Themen sensibilisieren können. Mit den „Isarbienchen“ für mehr Artenvielfalt, aber auch mit der Initiative Schulgarten und ihrer Liebe für die Kombination von Kunst und LdE sowie mit internationalen Kontakten bereichert sie auf vielfältigste Weise ihre Unterrichtsgestaltung. Mit einer Kollegin gewann sie 2021 für „Nimm den Müll in die Zange“ einen der bundesweiten Preise der Stiftung LdE.

Diese beiden Lehrkräfte sind leuchtende Beispiele für engagiertes Lehren, ihre Kreativität und Energie beeindrucken uns tief. Sie tragen an ihren Standorten zu modernster Schulentwicklung bei und geben dem Unterricht an Förderschulen dauerhaft eine weitere Dimension: LdE vermittelt Kindern und Jugendlichen neben Fachwissen auch Erfahrungen von Selbstwirksamkeit und gesellschaftliche Anerkennung.  


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Infos und Materialien

»Lernen durch Engagement« (LdE, englisch Service-Learning) ist eine Lehr- und Lernform, die gesellschaftliches Engagement mit fachlichem Lernen verbindet. Dabei engagieren sich Schülerinnen und Schüler nicht losgelöst oder zusätzlich zur Schule, sondern im Rahmen des Unterrichts und eng verbunden mit fachlichem Lernen. Das Engagement wird im Unterricht geplant, reflektiert und mit Inhalten der Bildungs- und Lehrpläne verknüpft. Gerade die neuen, kompetenzorientierten Lehrpläne für die Schulen in Bayern bieten für LdE viele Ansatzpunkte.

Hier finden Sie Links zu Materialen und weiteren Informationen:

 

Dieser Newsletter wird herausgegeben von der Netzwerkstelle LdE in Bayern c/o
Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Bayern e.V.

tel: 0911 810129 -12/20
mail: lernen-durch-engagement@lbe-bayern.de

website: www.lbe-bayern.de/service/learning

Geschäftsführender Vorstand: Dr. Thomas Röbke
Redaktion: Silvia Kalb, Claudia Leitzmann

Das Landesnetzwerk wird gefördert durch